Donnerstag, 8. März 2012

Warum in die Ferne schweifen? Teil 3

Erste Anprobe bei Kathrin Emmer. Der Stoff ist ein Flanell aus der italienischen Weberei Drapers (Foto: Kathrin Emmer)

Am Rande des Weltkongresses der Maßschneider hatte ich schon 2005 das Atelier der Herrenschneidermeisterin Kathrin Emmer besucht. Mir gefielen die Kleidungsstücke, die ich dort sah und so hielt ich den Kontakt bis ich selbst in der Hauptstadt angekommen war. Auch Volkmar Arnulf habe ich ein paar Mal in seiner Werkstatt am Kurfürstendamm besucht, unter anderem wegen eines Zeitschriftenartikels, in dem ich ihn portraitiert habe. Während einer dieser Besuche sprachen wir über die Geschichte der Berliner Maßschneiderinnung und kurz darauf fand ich in der Post Volkmar Arnulfs Buch. Im Sommer 2009 stand eine etwas aufwändigere Änderung an einer Cutweste an und ich suchte Kathrin Emmer in ihrem Atelier auf. Als ich in der Werkstatt in einem Bündel von John G. Hardy die Kammgarnversion eines Tweeddessins fand, das mir gefiel, war ich schon drauf und dran, ein leichtes Sportsakko zu bestellen. Leider war genau dieser Stoff nicht mehr lieferbar und so ließ ich die Idee fallen. Wir bleiben weiter in Kontakt, es dauerte aber weitere zwei Jahre, bis es endlich zur Bestellung kam.
Ein Modebild aus den dreißiger Jahren zeigt die damals beliebten weiten Hosen mit breiten Hosen. Der Schuh bekommt dadurch eine ganz andere Optik (Abbildung: Rundschau der Herrenmode)

Bei einem Vortrag vor Kunden des Hauses Stiesing in Bremen trug ich 2011 einen Zweireiher von Tobias Tailors aus einem typisch englischen Streifenstoff (Foto: Stiesing)


Ich hatte mich seit etwa einem Jahr ausführlich mit der Mode der dreißiger und vierziger Jahre beschäftigt. Beide Dekaden war geprägt von großer Eleganz und einem breiten Konsens darüber, wie Kleidung auszusehen hat. Fotos mit Straßenszenen aus dieser Zeit belegen das, die Männer trugen Fassonschnitt, Anzug, Hut und Mantel. Mit dem Krieg veränderte sich die Mode allein schon wegen der Materialknappheit in ganz Europa, die Grundformel der Herrenbekleidung behielt aber auch in den Notzeiten Gültigkeit. In diesen Jahren war der Zweireiher wesentlich verbreiteter als heute, Seitenschlitze waren unüblich, die Hosenbeine weiter geschnitten. Interessanterweise lassen sich auch viele Modebilder aus Großbritannien finden, auf denen die Herren Anzüge ohne Seitenschlitze tragen. Die heute verbreitete Vorstellung, dass Seitenschlitze typisch für die Londoner Schneiderei waren, ist nicht korrekt. Ich habe immer schon Zweireiher vorgezogen, nun wünschte ich mir dieses Modell aber mit Anklängen an die mitteleuropäische Schneidertradition der Dreißiger und Vierziger. Mir war klar, dass dieser Zweireiher in Deutschland entstehen sollte, besser noch in Berlin. Ich vereinbarte einen Termin mit Kathrin Emmer und schilderte ihr meine Vorstellung. Vermutlich habe ich wesentlich mehr gesagt, als die meisten Kunden es tun, ich halte es aber für sehr wichtig, seine Wünsche präzise zu schildern. Das Maßnehmen ging ziemlich fix, Kathrin Emmer arbeitete dabei sorgfältig und konzentriert. Es gibt Schneider, die den Kunden bei diesem Vorgang durch Gespräche unterhalten wollen, oft lenken sie sich dabei aber nur selbst ab. Das war hier nicht der Fall. 

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