Donnerstag, 19. April 2012

Ignatious Joseph: Interkontinentalrakete aus Indien

Mr Joseph verblüfft gern. Auch den Kellner, den er im Café Einstein Unter den Linden bittet, uns zu fotografieren: "Sind Sie Profi-Fotograf"? Der Kellner stutzt, dann lacht Mr. Joseph und dann lachen wir alle (Foto: Ein mir unbekannter Kellner)

Hemdendesigner ist er nicht und Hemdenfabrikant auch nicht. Trotzdem macht er Hemden und zwar in dem Sinn, wie ein Filmemacher Filme macht. Als Ideengeber und schöpferischer Kopf hinter dem Produkt, der selbst nicht hinter der Kamera steht, nicht die Scheinwerfer ausrichtet und auch nicht am Schneidetisch hockt. Die Rede ist von Ignatious Joseph, der auch schon mal Teppichhändler oder Teeplantagenbesitzer als Beruf angibt. Natürlich nur im Scherz. So wie er im Scherz südlich der Alpen einmal als der Bruder eines indischen Hemdenmoguls aufgetreten ist, der ihn vorschickt, da er ein bisschen Italienisch kann. Herr Joseph oder besser Mr. Joseph, wobei der Name unbedingt englisch auszusprechen ist, Mr. Joseph ist ein Kind des Commonwealth. Er spielt Cricket, hat schon als Kind Charles Dickens und Shakespeare gelesen oder wenigstens vorgelesen bekommen und er nimmt den Tee mit Milch. Mr. Joseph war in einem früheren Leben in der Hotelbranche tätig, wohnt in Düsseldorf, ist aber in der ganzen Welt zu Hause. Jedenfalls scheint er alle guten Herrenausstatter zu kennen und in jeder Stadt die besten italienischen und indischen Restaurants. Stets tritt er perfekt gekleidet auf. Seine blauen Sakkos werden in Rom handgenäht, sie folgen einer unveränderlichen Formel: Langer Mittelschlitz, hohe Taille, aufgesetzte Brusttasche und wunderbar punktierte Kanten. Dazu die extrem kurzen und engen grauen Hosen mit sehr breitem Aufschlag. Ein Look, den viele von Mr. Joseph übernommen haben, so jedenfalls seine Theorie. Und die roten Schuhe, die man getrost als berühmt bezeichnen darf. Sie sind natürlich ebenfalls handgemacht und sogar nach Maß. Wenn Leute ihn darauf ansprechen, behauptet Mr. Joseph, der nie ein Blatt vor den Mund nimmt und politisch höchst unkorrekt über seine dunkle Haut scherzt, so wie es in Deutschland nur ein dunkelhäutiger Mann tun darf, Mr. Joseph sagt dann gern, dass seine Schuhe von Lidl sind. Ganz ernst. Und dann schüttet er sich aus vor Lachen. Ernst ist er nur, wenn es um die Bekleidungskultur geht, da wird er richtig böse und zum Lästermaul. Wie man so rumlaufen könne, fragt er dann. Das fragen sich die Männer, über die er den Kopf schüttelt, natürlich auch, wenn sie ihn betrachten. Mr. Joseph fällt auf in Berlin Unter den Linden. Aber das stört ihn nicht. Er klemmt sich das iPad unter den Arm und zieht seiner Wege. Morgen geht die Reise weiter. Dann wird er sich einen Herrenausstatter vornehmen, der noch nicht seine Hemden führt. Einfach reinschneien, den Chef verlangen und sich als Teppichhändler ausgeben. Der verblüffte Mitarbeiter wird den Chef vermutlich wirklich holen. Und am Ende ordert der dann Hemden. Und Mr. Joseph hat wieder eine schöne Geschichte auf Lager.