Donnerstag, 25. Juli 2013

Putzt der Gentleman Schuhe?

Geputzte Schuhe gelten als Ausweis von Traditionsbewusstsein. Doch darf der Gentleman selbst zur Bürste greifen? (Foto: Eduard Meier)

Das neue Magazin TWEED definiert sich als die Zeitschrift für den Gentleman. Die erste Ausgabe warf deshalb bei Kritikern die Frage auf, ob ein echter Gentleman so ein Magazin überhaupt lesen würde. Denn der Gentleman lässt doch z. B. seine Schuhe putzen, wozu muss er also nachlesen, wie man den Glanz erzeugt?

Natürlich war der Gentleman ursprünglich ein Edelmann, der sich nicht um die Belange des Alltags kümmern musste. Das war nicht nur in England so. Überall in Europa gab es im 18. und 19. Jahrhundert Adelige, denen ihre Diener die Alltagsdinge abnahmen. Es fand sich aber auch immer der Typus des verarmten Edelmannes, der sich um vieles selbst kümmern musste. Im 18. Jahrhundert, im 19. Jahrhundert und schon gar im 20. Jahrhundert.

Außerdem gab es vor allem in Großbritannien schon im 17. Jahrhundert den Gentleman, der aus kleinen Verhältnissen aufgestiegen ist. Viele Briten sind bis heute große Snobs, dennoch haben Sie schon sehr früh Aufsteigern eine Chance gegeben. In Frankreich hingegen, dem Land der Revolution, wird heute noch äußerst streng auf die Unterschiede zwischen den Gesellschaftsschichten geachtet. Und in Deutschland? Wir sind seit dem Ende des ersten Weltkriegs keine ständisch geordnete  Gesellschaft mehr, in mancherlei Hinsicht aber dünkelhafter als der konservativste Brite.

Ich finde es vollkommen gleichgültig, wer einem die Schuhe putzt. Man wird nicht durch Kleidung zum Gentleman. Genauso wenig darf jedoch derjenige davon ausgeschlossen werden, ein Gentleman zu sein oder sich wie ein Gentleman zu fühlen, der seine Schuhe selber pflegt oder vielleicht gar keine edlen Schuhe besitzt. Und ganz nebenbei geht es auch um die Freude an handgearbeiteten Dingen. Ob nun Schuhe, Anzüg, Uhren, Möbel oder Autos.