Mittwoch, 21. Dezember 2016

Schmuck, Taschen, und Stilmix - Wirklich ein Muss?

Die Aktentasche wird nur noch von wenigen Herren verwendet, beliebter sind inzwischen Umhängetaschen und die so genannten "Shopper". Foto: Erill Fritz

Stil entsteht gewiss nicht dadurch, dass man sich einfach nur an ein paar Regeln hält. Stil ist vielmehr eine wohl abgewogene Komposition, die auch der Würze bedarf. Wenn die Würze aber im Übermaß eingesetzt wird, entsteht oft schlechter Geschmack. Deshalb sehe ich einige Trends der letzten Zeit relativ kritisch. 

Schmuck

Lange Zeit galt es als ausgemacht, dass der Herr keinen Schmuck trägt. Nur die Uhr, der Trauring und vielleicht ein Siegel- oder Wappenring galten als stilvoll. Natürlich gibt es regionale Unterschiede, in den USA ist z. B. viel verbreiteter, dass Herren Schmuckringe tragen. Ein goldener Ring mit Edelstein kann durchaus elegant sein wenn er am kleinen Finger getragen wird. Auch sind Armbänder nicht grundsätzlich zu verurteilen. Der Duke of Windsor trug in den 1970ern gern das "bracelet love" von Cartier, sogar zum Frack. Trotzdem gilt: Vorsicht vor zu viel Schmuck. Bei einigen Herren gilt es als supersmart, diversen Bändchen, Kettchen und Armbänder Handgelenk zu tragen. Für mich gilt immer noch: Less is more.

Taschen

Ich bin sicherlich sehr altmodisch und insofern sind meine Auffassungen darüber, welche Tasche ein Mann verwenden sollte, vielleicht nicht mehr von dieser Welt. Ich bleibe aber dabei, dass eine Aktentasche, eine Mappe oder ein Aktenkoffer immer noch die besten Begleiter des arbeitenden Mannes sind. Umhängetaschen haben sicherlich viele Vorteile, zum Anzug passen sie meines Erachtens aber genauso wenig wie eine Strickmütze. Auch die zur Zeit so beliebten "Shopping-Bags" oder "Shopper", also Einkaufstaschen, finde weder elegant noch männlich. Auch die "soften" Aktentaschen mit Reißverschluss, die vor zwanzig Jahren als "Damenhandtasche" verkauft wurden, finden vor meinen Augen keine Gnade. Am schlimmsten sind natürlich Rucksäcke. Ich weiß nicht, warum Herren heute plötzlich so viel bei sich haben, dass die Taschen der Kleidung dafür nicht mehr ausreichen. Für mich gilt nach wie vor: Zum Beruf gehört die Aktentasche. In der Freizeit trägt der Herr gar keine Tasche.

Stilmix

Es gilt heute als Zeichen guten Stils, wenn man einen Look bricht. Statt also ein Tweedsakko mit Kord- oder Flanellhosen, Oxfordhemd, Strickweste, Wollkrawatte und Raulederschuhen zu tragen, soll man das Tweedsakko lieber mit einer Jeans, knöchelhohen Arbeisstiefeln, Rollkragenpullover und Strickmütze  kombinieren. Das kann man natürlich machen, ich empfinde es aber nach wie vor nicht als einfallslos, wenn man auf diese Art des Stilmix verzichtet. So gehören für mich zum Anzug grundsätzlich immer noch die Krawatte und das Einstecktuch, zur Kombination aus Sakko und Hose eher der klassische Gabardinemantel (und nicht ein Parka). Samtslipper trage ich zur Samtsmokingjacke und Smokinghosen und nicht zu Jeans. Natürlich bleibt es jedem überlassen, wie er seine Kleidung kombiniert. Ein in sich stimmiger Look ist meines Erachtens dem Mix in aller Regel vorzuziehen. Denn: Der Gentleman will nicht auffallen.

Freitag, 16. Dezember 2016

Wenn Maßkonfektion gut ist, hat sie viel für sich

Auf Anhieb zufrieden - der neue Anzug von Cove & Co. passt hervorragend. Und er ist auch hervorragend verarbeitet. Die Handknopflöcher sind von erster Güte, die handgenähten Kanten ebenfalls (Foto: Erill Fritz). 

Der Hosenbund mit Seitenschnallen und die Hosenträger werden diskret von der Weste verborgen. Die englischen Bundfalten  geben der Hose den klassischen Look. Innen ist sie traditionell verarbeitet (Foto: Erill Fritz)

Der Londoner Herrenschneider John Coggin, der von 1998 bis 2006 zahlreiche Anzüge für mich gemacht hat, erklärte den Unterschied zwischen Konfektion und "bespoke tailoring" so: "Ich habe zwei Anproben, um den Anzug passend zu machen, der Modellmacher beim Konfektionär ein paar Dutzend." Damit wollte John Coggin sagen, dass der Schnitt eines Konfektionsanzuges so lange optimiert wird, bis er die Anforderungen erfüllt. Für den Maßanzug hat der Schneider dagegen nur zwei, ausnahmsweise drei Versuche. Die Maßkonfektion ist mit ihrer Arbeitsmethode irgendwo zwischen diesen beiden Extremen anzusiedeln. Die Schlupfmuster, die der Maßkonfektionär dem Kunden anzieht, sind nach erprobten Grundschnitten gefertigt. Man muss das Rad also nicht jedes Mal neu erfinden, um einen für den Kunden passenden Anzug zu machen. Nun ist es natürlich nicht so, dass der Maßschneider jedes Mal wieder bei Null anfängt. In Deutschland und Österreich arbeiten die meisten Handwerker nach dem Zuschneidesystem von Müller & Sohn aus München, sie übersetzen mit dessen Hilfe die genommenen Maße unter Berücksichtigung gewisser "Wuchsabweichungen" in einen Anzugschnitt. Andere Schneider verwenden eigene Systeme.

Viele Londoner "bespoke tailors" arbeiten mit "pattern blocks", also Schablonen für die Einzelteile des Anzugs, die an die Maße und die Figur des Kunden angepasst werden. Es gibt auch Schneider, die sich Schnittmuster aus der Konfektion ausleihen und für ihre Kunden modifizieren. Das ist alles legitim. Entscheidend für den Kunden ist allein das Ergebnis. Sehr dicht an der Arbeitsweise der Maßkonfektion ist die Methode der traditionsreichen Maßschneidereien, deren Anzüge einen bestimmten Look haben, den so genannten "house style." Jacken von Gennaro Solito in Neapel sind leicht zu identifizieren, so wie auch die Anzüge von H. Huntsman aus der Savile Row. Wenn der Kunde in solchen Schneidereien Wünsche äußert, die dem Stil des Hauses extrem zuwiderlaufen, wird er sich selten durchsetzen können. Insofern ist es kein Ausdruck mangelnder Individualität, wenn man bei einem Maßkonfektionär einen Anzug bekommt, dessen Grundlinie durch das Schlupfmuster vorgegeben ist. Wenn diese Linie dem Kunden gefällt, wird vor bösen Überraschungen bewahrt. Denn schon beim Maßnehmen sieht er ja an dem Probierteil, wie der Anzug später in etwa aussehen wird.

Mein erster Handmade-Anzug von Cove & Co. war ein Dreiteiler aus Seersucker-Stoff. Er war auf Anhieb sehr gut gelungen. Die Nr. 2 wurde aus einem dunkelblauen, mittelschweren Wollfresko gemacht, der bei Cove & Co. am Lager ist. Die Stoffe waren sehr unterschiedlich, dennoch ähneln sich die beiden Anzüge wie ein Ei dem anderen. Das ist nur für den bemerkenswert, der schon einmal mehrere Anzüge von einem Schneider hat anfertigen lassen. Handwerklich gemachte Anzüge fallen nämlich selten identisch aus, in aller Regel gibt es Abweichungen, die vom Handwerker meistens mit der unterschiedlichen Beschaffenheit der Stoffe erklärt wird. Ich war angenehm überrascht, dass der Fresko-Anzug genau wie der erste Dreiteiler saß. Und das wohlgemerkt ohne Anproben. Der Maßschneider probiert jeden neuen Anzug mindestens einmal. Und das durchaus nicht als Show-Effekt. Die Anproben sind tatsächlich nötig. Nur ausnahmsweise stellen manche Schneider Anzüge für Stammkunden ohne Anproben fertig, üblich ist das beispielsweise bei Londoner Häuser, die viele Kunden bei Trunkshows in Übersee bedienen.

Konfektionskauf ist Glückssache. Maßschneiderei manchmal aber auch. Maßkonfektion ist dagegen Maßschneiderei mit Fangnetz. Die neapolitanischen Anbieter handgemachter Konfektion wissen das schon lange. Bei deren Trunkshows wird zwar der große Schneiderzauber geboten, tatsächlich werden die Schnitte der Konfektion nur minimal abgeändert. Was in aller Regel dann auch ausreicht. Nur für Kunden mit extrem schwieriger Figur muss ein individuelleres Modell entwickelt werden. Doch auch da helfen die vorhandenen Schnitte aus. Demnächst teste ich bei Cove & Co. die Standardverarbeitung. Die beiden ersten Anzüge wurden von Hand gearbeitet, sie entsprechend qualitativ dem Produkt einer Maßschneiderei oder dem der guten italienischen Manufakturen. Das macht die Handmade-Linie von Cove & Co. natürlich etwas teurer, beim nächsten Anzug teste ich die gute Mittelklasse.

Sonntag, 11. Dezember 2016

12. Dezember 2016: Seminar bei Eduard Meier in München

Das Design der Einadung sagt schon ohne Worte, dass es bei dem Seminar um klassische Kleidung gehen wird (Foto: Eduard Meier)  



Seit mein Buch "Der Gentleman" im Februar 1999 erschienen ist, bin ich regelmäßig als Vortragsredner gebucht worden. Bei Eduard Meier war ich vermutlich das erste Mal 2001 zu Gast. In meinem Archiv liegen auch noch Fotos von diesem Abend. Ich trug eine Tweedjacke aus einem Stoff von John G. Hardy und dunkelgraue Cavalry-Twill-Hosen, beides nach Maß für mich gefertigt von Tobias Tailors of Savile Row. Und eines meiner ersten Paar Schuhe von Eduard Meier. Wenn ich am 12. Dezember 2016 um 19:15 h vor mein Publikum trete, werde ich dieselben Hosen tragen, dazu eine handgefertigte Tweedjacke von Eduard Meier und natürlich ein Paar Schuhe, die auf dem hauseigenen Peduform-Leisten gebaut wurden.

Der klassische Look ist zeitlos, also unabhängig von Moden und Trends. Er ist aber auch zeitlos in dem Sinne, dass man klassische Kleidungsstücke in jedem Alter trage kann. Als ich anfing, mich für diesen Kleidungsstil zu begeistern, war ich zwanzig Jahre alt. Heute bin ich fünfzig und ich kann mich immer noch für die "permanent fashion" begeistern. Unter anderem deshalb, weil der klassische Look es zulässt, ja sogar fordert, dass man die vor langer Zeit erworbenen Teile mit Neuerwerbungen kombiniert. Der Außenstehende ist dabei nicht in der Lage, alte und neue Kleidungsstücke auseinander zu halten. Zuhörer meiner Vorträge sind oftmals überrascht, wenn ich darauf hinweise, dass die Schuhe die ich an dem Abend trage, vor 15 Jahren erworben wurden, der Anzug vor zehn Jahren und nur das Hemd gerade erst vor ein paar Wochen geliefert wurde.

Ich freue mich auf den Abend in München und die Gespräche mit den Gästen über den klassischen Bekleidungsstil.